Tiefgreifende Ängste sind bei einer schweren Erkrankung verständlich. Sie können den Alltag sowie das Wohlbefinden vieler Betroffenen jedoch stark beeinträchtigen. Meist äußern sie sich in einem diffusen Angstgefühl („Ich habe das Gefühl, dass gleich was Schlimmes passiert“) oder zielgerichteten Phobien bis hin zu Panikanfällen („Ich kriege keine Luft mehr. Ich ersticke.“ oder „Ich habe einen Herzinfarkt.“). Im schlimmsten Fall entsteht eine ausgeprägte Angststörung.
Dabei ist Angst erst einmal etwas Gutes. Sie ist „lebensschützend“ [i] und entwicklungsgeschichtlich das älteste Gefühl.[ii] Die Angst warnt in akuter Gefahr vor Bedrohung und löst im Körper ein Notfallprogramm aus. Das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, das Atmen fällt schwerer, die Muskeln spannen sich an. Auch Schwitzen oder Frieren sowie Übelkeit und Schwindel können entstehen. Damit setzt der Körper die bereits bekannten Überlebensstrategien „Fliehen, Kämpfen oder Erstarren und Kollabieren“ in Kraft, obwohl die betroffene Person die Gefahr noch gar nicht bewusst wahrgenommen hat.[iii] Dies haben Menschen mit den Tieren gemeinsam. Normalerweise beruhigt sich das autonome Nervensystem auch recht schnell, sobald die Gefahr gebannt ist.
Dieser Mechanismus kann bei ME/CFS und Co. jedoch versagen. Wir bleiben dann im Fluchtmodus oder in der Erstarrung hängen. Ängste können sich deswegen chronifizieren und verselbständigen, obwohl die Gefahr bereits vorüber ist.[iv] Manche Betroffene wissen dann gar nicht mehr, warum sie überhaupt Angst in gewissen Situationen haben und versuchen, alle möglichen Angst-Auslöser im Innen und Außen zu vermeiden. Das Risiko, in dem Zuge Süchte, körperliche Erkrankungen oder selbstverletzendes Verhalten zu entwickeln, ist groß.
Daher ist es notwendig, die Hochspannung, die durch chronische Ängste ins Unermessliche steigen kann, zu reduzieren. U.a. können dabei Atemübungen helfen. Im Akutfall sollten Sie auf Ihre Atmung achten:
a) Konzentrieren Sie sich auf die richtige Bauchatmung.
b) Nutzen Sie wohltuende Imaginationen, um den Atem zu beruhigen.
c) Denken Sie dabei immer daran, länger auszuatmen als einzuatmen.
Wenn eine Hyperventilation
auftritt, bleiben Sie bitte ruhig. Denken Sie daran, Sie sind mehr als Ihre Angst.
Atmen Sie langsam über den Bauch.
Versuchen Sie länger aus- als einzuatmen. Konzentrieren Sie auf Ihre Atmung,
und wiederhole die Bauchatmung mehrere Minuten. Dabei können Sie auch die
Papiertüte einsetzen, die aber immer über Mund und Nase reichen muss
(notfalls reicht auch die gewölbte Hand vor Mund und Nase aus). Atmen Sie in die
Papiertüte ein und aus. Mit der Zeit wird Ihr Atem langsamer. Weitere Taktiken gegen die Angst finden Sie in dem Buch "Ein kleines, feines Leben: Heilung durch Traumatherapie sowie in dem neuen Buch "Kopf über Wasser: Leben mit ME/CFS und MCAS" |
[i] Boon, S. und weitere (2013): Traumabebedingte Dissoziation bewältigen. Ein Skills-Training für Klienten und ihre Therapeuten. S. 264
[ii] Baer, Udo & Fricke-Baer, Gabriele (2000): Das große Buch der Gefühle. S. 69
[iii] Boon, S. und weitere (2013): Traumabebedingte Dissoziation bewältigen. Ein Skills-Training für Klienten und ihre Therapeuten. S. 264.
[iv] Baer, Udo & Fricke-Baer, Gabriele (2000): Das große Buch der Gefühle. S. 75