Pacing ist eine der wichtigsten Strategien im Umgang mit ME/CFS und Long Covid. Auch für MCAS kann diese Methode ein wichtiger Bestandteil im Leben sein. Betroffene gehen dabei so schonend wie möglich mit ihren eigenen Energieressourcen um, um eine Überlastung und PEM/ PENE so weit wie möglich zu vermeiden. Anders ausgedrückt: „Das Ziel des ‚Pacing‘ ist, so aktiv wie möglich zu bleiben, dabei aber durch Überanstrengung ausgelöste Rückfälle zu vermeiden.“[i] Entwickelt wurde das heutige Pacing von ME/CFS-Forschenden und -Erkrankten in den 1980er Jahren, federführend von der Wissenschaftlerin Ellen Goudsmit.[ii]
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, das eigene Körpergefühl zu stärken und zu lernen, auf den eigenen Körper zu hören. Dabei gilt es, innerhalb der individuellen Grenzen zu bleiben, sich nicht zu überfordern und so keine Verschlechterung zu provozieren. Idealerweise führt diese Strategie zu einer Stabilisierung auf einem gewissen Niveau und langfristig auch zu Verbesserungen.
Die Grenzen, die durch die Erkrankung gegeben sind, sind sehr individuell
und unterschiedlich. Sie hängen logischerweise vom Schweregrad der ME/CFS und
der MCAS ab. Während schwer erkrankte Menschen schon durch einfachste
körperliche bzw. kognitive Aktivitäten (z. B. aufrecht stehen, auf die Toilette
gehen, Unterhaltungen, Nutzung von Social Media, Kochen) oder Reize (z. B.
Geräusche, Licht sowie starke Emotionen) einen Crash erleiden, können leicht
Betroffene teilweise noch arbeiten oder spazieren gehen.
Daher müssen die
Betroffenen zuallererst für sich herausfinden, welche Aktivitäten, Situationen
und Reize für sie noch ohne Symptomverschlechterung möglich sind. Sie müssen ihre
individuelle Baseline bzw. ihre ureigene Belastungsgrenze bestimmen, um
auf dieser Erkenntnis den Alltag zu planen. Bei MCAS ist zudem wichtig, welche
Lebensmittel, Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel etc. eingenommen werden.
Alles kann eine Rolle bei einer Symptomverschlechterung spielen. Pacing kann
daher – v.a. zu Beginn der Erkrankung – sehr, sehr schwierig und komplex sein. Da
Überlastungsreaktionen (PEM) meist nicht zeitnah, sondern in der Regel erst mit
einer Zeitverzögerung von bis zu 72 Stunden auftreten (interessanterweise tritt
auch eine Mastzellreaktion teilweise erst 72 Stunden nach dem auslösenden
Ereignis auf), ist oft akribische Detektivarbeit notwendig. Und manchmal finden
Betroffene im Nachhinein auch gar nicht mehr heraus, was zu einer größeren
Erschöpfung geführt hat. Denn die Einflüsse, die zu einer
Zustandsverschlechterung führen können, gehen weit über die Überforderung
hinaus: Die tägliche Verfassung und Belastungstoleranz können von Jahreszeiten,
Wetter, Hormonsituation, Duftstoffen, falscher Ernährung etc. etc. abhängen. Sie
kann daher – v.a. bei einer gleichzeitig bestehenden MCAS – stark schwanken,
obwohl man penibel Pacing betreibt.
Wichtig ist daher, sich tagtäglich immer
wieder aufs Neue zu fragen, wo man steht und wie viel Energie zur Verfügung
steht. Unabdingbar dabei ist, Verschlechterungen zu akzeptieren, nicht dagegen
anzukämpfen und auf einem niedrigeren Niveau weiterzumachen. Gerade zu Beginn
kann Pacing daher sehr herausfordernd sein.
[i] http://www.cfs-aktuell.de/index-Dateien/Goudsmit.pdf, zuletzt aufgerufen am 11.02.2024
[ii] Goudsmit et al. (2011): „Pacing as a strategy to improve energy management in myalgic encepha-lomyelitis/chronic fatigue syndrome: a consensus document“, Disability and Rehabilitation, doi: 10.3109/09638288.2011.635746 über https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/pacing/, zuletzt aufgerufen am 10.02.2024