Hier geht es darum, die Nähe zur Natur zu entdecken und sich mit der Stärke und Weisheit vieler alter Bäume zu identifizieren. Darüber hinaus erfahren Sie mit Hilfe der Imagination, wie es sich anfühlt, sich zu erden. Die Übungsanleitung finden Sie u.a. auf den CDs von Christa Diegelmann oder Luise Reddemann.[i]
In der Regel dürfte diese Imagination keine Probleme bereiten. Sollten Sie jedoch das Imaginieren an sich ablehnen, können Sie auch in den Wald gehen bzw. sich in der Realität mit Bäumen beschäftigen. Umarmen Sie einen Baum. Lehnen Sie sich an ihn und verbinden sich mit ihm. Fühlen Sie seine Rinde, die ihn schützt. Nehmen Sie seine Wurzeln wahr, mit denen er fest im Boden verankert ist. Und schauen Sie nach oben zur Krone, die in den Himmel hineinragt. Sehen Sie sich seine Blätter und seine Früchte an. Sie können den Baum auch malen, zeichnen oder fotografieren. So kommen Sie der Imaginationsübung sehr nahe. Alternativ können Sie auch eine klassische Grundübung aus dem Qi Gong ausprobieren.
Stehen
wie ein Baum
Gehen Sie in den hüftbreiten
Stand. Lassen Sie sich in den Knien leicht sinken. Heben Sie dann die Hände bis
auf Brusthöhe vor den Körper. Die Handflächen zeigen zum Brustkorb, die
Fingerspitzen zueinander. Lassen Sie die Schultern und die Ellbogen möglichst
locker. Auch Ihre Handgelenke und Finger sind entspannt. Der Kopf befindet sich
weit oben im Himmel. Ihre Füße sind tief unten in der Erde. Sie verbinden sich
mit dem Boden unter Ihnen. Ihr Körper steht aufrecht und entspannt.
Mir wurde durch die wiederholte Imagination bewusst, mit welcher Selbstverständlichkeit Bäume Nahrung zu sich nehmen. Sie werden genährt – durch die Sonnenstrahlen, den Boden und den Regen. Bäume sind Bestandteil der Jahreszeiten. Sie wachsen, bekommen Blätter, tragen Früchte und lassen sie wieder fallen. Damit nähren sie wiederum Tiere und Menschen. Sie sind einfach „nur da“ – egal, ob sie Früchte tragen oder keine. Sie müssen sich dafür nicht anstrengen. Ihre Wurzeln reichen bis tief in die Erde. Ihre Krone ragt weit nach oben. Damit verbinden Bäume Himmel und Erde. Für mich, die noch heute durch meine Frühberentung manchmal mit dem Gefühl kämpft, unnütz auf dieser Welt zu sein, war dies eine völlig neue Erkenntnis. Sie half mir bei meinen Bemühungen, mit dem Thema Selbstfürsorge weiterzukommen und Schritte zu gehen, die ich mir ansonsten womöglich nie zugestanden hätte. Zudem habe ich mich – angeregt durch diese Imaginationsübung – verstärkt mit Bäumen beschäftigt. Zum ersten Mal nach den langweiligen Biologiestunden meiner Schulzeit betrachtete ich die Bäume genauer. Ich sammelte ihre Blätter und umarmte ihre meist mächtigen Stämme. Auch die Wurzeln beobachtete ich genauer. Mir wurde dabei bewusst, wie viele Menschen mir in meinem Leben mehr „Wurzeln“ wünschten – und wie viele mich immer darauf ansprachen, dass ich nicht (mehr) verwurzelt und nicht genügend geerdet sei. Ich war scheinbar viel zu oft im Kopf und in der Luft unterwegs.
Später fing ich an, mir Bildbände über Bäume aus der Bibliothek auszuleihen und
die Unterschiede genauer zu studieren. Und ich lernte, Bäume in Worten zu
beschreiben. Mitpatientinnen malten die Bäume und zeichneten die Umrisse ab.
Manche bastelten ihren Baum aus Pappmaché oder anderen Materialien nach. Es beruhigte
sie. Daher bin ich davon überzeugt, dass allein die Beschäftigung mit Bäumen –
egal, ob in Imaginationen oder im realen Leben, für Entspannung sorgt und
erdet.
[i] Diegelmann, Christa (2007): Trauma und Krise bewältigen. Hör-CD mit Texten, Übungen und Gedichten zur Ressourcenstärkung; Reddemann, Luise (2003): Imagination als heilsame Kraft.