Mittwoch, 12. Juni 2024

Trauer

 


Trauer betrifft Menschen mit schweren Erkrankungen zu Recht in einem großen Maße. Vor allem mit der Krankheitsakzeptanz kann eine tiefe Traurigkeit entstehen. Wichtig ist jedoch, diese Trauer nicht zu verdrängen. Unterdrückte und ungelebte Trauer, die oft nicht gezeigt wird („Stell‘ Dich nicht so an“, „So schlimm ist das doch nicht.“), kann zur Erstarrung führen, was weitreichende seelische und körperliche Folgen wie z.B. Depressionen nach sich ziehen kann. Dann gilt es, die Erstarrung langsam zu lösen.

Ich konnte lange nicht weinen. Als aber der Damm gebrochen war, konnte ich nicht mehr aufhören. Manchmal wusste ich gar nicht mehr, warum ich weine. Es gab so viel zu betrauern. Ich hatte das Gefühl, dass ich aus diesem tiefen Tal nie mehr herauskomme. Damals verglich meine Therapeutin meine ungeweinten Tränen mit einem See an Tränen, der ausgeweint werden muss. Sie wollte damit ausdrücken, dass auch meine Tränen und meine Trauer irgendwann ein Ende haben werden.

Wir alle brauchen in unserer Trauer verständnisvolle und mitfühlende Menschen, die mit uns trauern und unser Leid bezeugen können. Wir benötigen liebevolle Menschen, die uns in den Arm nehmen und sagen „Ja, das ist wirklich sehr, sehr schlimm.“ Und wir können froh sein über Menschen an unserer Seite, die zuhören und die Trauer aushalten können. Denn „… das Hauptproblem beim Trauern ist zumeist nicht das Trauern, sondern dass Menschen damit allein bleiben.“[i] Manchmal brauchen wir aber auch die praktische Hilfe unserer FreundInnen, weil wir in unserer abgrundtiefen Trauer den Alltag und unsere Selbstfürsorge vergessen oder Ablenkung benötigen. Trauen Sie sich, Ihre FreundInnen um Zeit oder Unterstützung zu bitten. Und nehmen Sie auch professionelle Hilfe in Anspruch. Diese ist besonders wichtig, wenn Sie befürchten müssen, in eine verzweifelte Trauer oder gar Depression zu rutschen.


unterstützen sie ihren trauerprozess

Im Trauerprozess selbst können Rituale unterstützen und ein wenig Frieden bringen. Wenn Sie etwas oder jemanden loslassen müssen, können Sie z.B. Briefe an eine betreffende Person, an ein Gefühl oder an eine Arbeitsstelle schreiben. Später haben Sie die Möglichkeit, diese entweder zu zerreißen, wie auf einer Beerdigung zu vergraben oder mit einem Streichholz oder in einem Lagerfeuer zu verbrennen.[ii] Sie können die Briefe auch aufbewahren oder an eine Vertrauensperson weitergeben. Oder Sie schicken den Brief mit einem selbst gebastelten Schiffchen auf einem Bach oder Fluss in die Welt hinaus. Es erinnert ein wenig an die Allerseelenschiffchen oder das O-Bon-Fest in Japan. Dort schwimmen Laternen einen Fluss hinunter, der zum Meer fließt. Symbolisch werden so die Geister der Vorfahren in den Himmel geschickt. 


Manchen Menschen hilft es wiederum, in ihrer Trauer in die Kirche zu gehen und dort eine Kerze anzuzünden oder zu beten. Denken Sie daran, dass Sie das auch imaginär machen können.

Sollte Ihre Trauer festsitzen, sodass Sie nicht weinen können, kann Folgendes helfen: Gönnen Sie sich eine warme Decke, Schokolade und Taschentücher. Schauen Sie einen Film, bei dem Sie auf jeden Fall immer weinen müssen. Ich denke da z.B. an „Love Story“, „Winnetou 3“, „Hachiko“, „Das Leben ist schön“, „Green Mile“, „Der König der Löwen“ oder „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“. Der Film kann ein Ventil sein, das Sie gerade brauchen. Und nutzen Sie die Kunst. Malen oder musizieren Sie selbst, schreiben oder lesen Sie Gedichte. Hören Sie Ihre Lieblingssongs und andere Musik. Wie viele Künstler haben in ihren traurigsten Zeiten ihre wundervollsten Kunstwerke geschaffen. Wir können durch diese getragen werden, so dass wir in unserem Gram nicht zerfallen.

 



[i] Baer, Udo & Frick-Baer, Gabriele (2000): Das große Buch der Gefühle. S. 202

[ii] Spangenberg, Ellen (2008): Dem Leben wieder trauen. Traumaheilung nach sexueller Gewalt. S. 90-91

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