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Mittwoch, 18. September 2024

Kostenlose Online-Entspannungs-Gruppe für chronisch Erkrankte


Die Online-Community ME space bietet kostenlose Entspannungskurse unter dem Namen "Relax ME" online an.

Ideal sind diese Kurse für Menschen,
- die ihre Wohnung nicht mehr verlassen können
- die bettlägerig sind
- die keine finanziellen Mittel für kostenpflichtige Online-Kurse haben
- die mit einer Gruppe unter Anleitung üben wollen
- die keine Kraft mehr für auswärtige Präsenzkurse haben.

Die Kurse finden regelmäßig live statt:
⚬ jeden Montag um 17:00 Uhr
⚬ jeden Donnerstag um 20:00 Uhr
⚬ jeden Samstag um 18:00 Uhr

U.a. werden Übungen aus dem autogenen Training, Yoga Nidra gezeigt. Aber auch Nervus Vagus-Übungen sowie Meditationen sind Inhalte der einzelnen Sitzungen. Mehr Informationen finden Sie in den entsprechenden Einträgen im Community Kalender: https://link.mecfs.space/kalender.

Anmeldungen sind über den folgenden link möglich: https://link.mecfs.space/relaxme-anmeldung



Mittwoch, 4. September 2024

Einstieg in Atemübungen


Atemübungen spielen für die Krankheitsbewältigung von ME/CFS und Long Covid eine wichtige Rolle. Auch in diesem Blog habe ich bereits zu dem Thema einige Beiträge veröffentlicht:

a) Atemübungen
b) Meine Erfahrungen mit Atemübungen

Für manche Betroffene ist es jedoch zu Beginn sehr schwer, einzusteigen.

Daher bin ich froh und dankbar, dass ich folgendes Video von der Charité gefunden habe:
Atemübungen: Ein Übungsprogramm im Rahmen einer Covid-Erkrankung

Es ist m.E. hervorragend für den Einstieg in die Thematik geeignet.

Schauen Sie es sich einfach einmal an!





Donnerstag, 4. Juli 2024

Prof Dr. Stark: Noch Plätze frei beim Gruppen-Coaching!


Prof. Dr. Stark ist einer der wenigen Fachärzte in Deutschland, der sich mit ME/CFS und Post Covid tagtäglich intensiv auseinandersetzt. Er und sein Team setzen sich stark für die Belange der Erkrankten ein. U.a. bietet er auch ein Online-Genesungsprogramm an, über das ich bereits berichtet habe: Welche Online-Genesungsprogramme für ME/CFS sind empfehlenswert?

Dieses Online-Genesungsprogramm geht in eine neue Runde - und noch sind einzelne Plätze im Gruppen-Coaching frei. Dieses bietet sich v.a. für Neulinge an, die sich bisher noch nicht mit den unterschiedlichen Selbsthilfe-Maßnahmen und Übungen auseinandergesetzt habe, mit denen Betroffene ihr aus dem Lot geratenes
autonomes Nervensystem beeinflussen können.

Das Gruppencoaching auf einen Blick

  • Start: Dienstag, 09. Juli 2024

  • Dauer: 6-7 Monate, alle 2-3 Wochen dienstags von 17-18 Uhr

  • Umfang: Insgesamt 10x 60-minütige Gruppencoachings mit Prof. Dr. Stark persönlich!

  • Zugang: Teilnahme über ZOOM (per Handy, Tablet oder PC/Laptop möglich)

  • Aufzeichnung: Jede Sitzung wird aufgezeichnet und im Anschluss zur Verfügung gestellt.

  • Geschlossene Community: Jede Gruppe hat eine eigene Community, in der Sie sich auch außerhalb der Sessions untereinander und mit mir austauschen können.

  • 12 Monate Zugriff auf den begleitenden Online-Videokurs mit umfangreichen unterstützenden Materialien

    Anmelden können Sie sich hier.





Mittwoch, 3. Juli 2024

Mein heutiges Leben


In den letzten Beiträgen habe ich über die Anfänge meiner ME/CFS und den langen, langen Weg bis zur Diagnose berichtet. Dieser Weg dauerte bei mir über 19 Jahre.

Hier können Sie meine Geschichte nachlesen:

1. Wie bei mir die ME/CFS anfing
2. Vor den Trümmern meiner Existenz
3. Die Suche nach Klarheit – eine Odyssee (2019 bis 2023)


Mein heutiges Leben

Nach all den Irrungen und Wirrungen bin ich seit einiger Zeit bei mir angekommen. Ich kenne die Gründe für meine langjährige Erschöpfung und die vielen anderen gesundheitlichen Probleme. Zudem habe ich gelernt, mich auf mein Körpergefühl, das sich allein durch die Körper- und Physiotherapie stark verbessert hat, zu verlassen. Und ich weiß in der Regel, wie ich bei Symptomen gegensteuern kann. Inzwischen würde ich mich wieder als moderat betroffen bezeichnen. Meist befinde ich mich bei einem Bell von 40 bis 60, wobei es mir im Sommer wesentlich besser geht. Im Winter braucht mein Körper wiederum sehr viel Energie, um mit der Kälte klarzukommen. Wie anstrengend das ist, merke ich jedes Jahr ab Januar/ Februar. In diesen Monaten bemerke ich meist einen Einbruch meiner körperlichen Kraft. Auch die Anfälligkeit für Viren und Co. steigt um ein Vielfaches.



mein alltag

Meine täglichen Spaziergänge mit unserer Hündin sind für mich das Highlight eines jeden Tages. In der Regel bin ich zweimal unterwegs. An guten Tagen bin ich jeweils eine Stunde unterwegs, an schlechteren 45 Minuten. Bei den Spaziergängen wechsele ich zwischen gemütlichem Tempo und Nordic Walking ab.

Darüber hinaus schaffe ich in der Regel einen Außentermin pro Tag, wobei ich jedoch darauf achte, dass ich in der Woche auch freie Tage habe. Diese Termine sind meist Arzt- oder Therapieterminen vorbehalten. Aber ich nehme mir auch Zeit für Freunde. Ideal ist dabei für mich, wenn ich die Treffen mit meinen Freunden mit einem gemeinsamen Spaziergang verbinden kann, der in der Regel in einem gemütlichen, nicht zu lauten Café endet.

Den Rest des Tages bin ich zuhause. Ich versuche grundsätzlich bis mindestens 9 Uhr zu schlafen, da ein früheres Aufstehen für meinen Körper sehr anstrengend ist. Gegen Mittag muss ich mich dann für zwei Stunden konsequent hinlegen, wobei ich an guten Tagen Rätsel löse oder lese. An schlechteren Tagen mache ich die Augen zu und mache Atem- oder gewisse Meditationsübungen. Oft schlafe ich auch ein wenig. 

In der restlichen Zeit mache ich ein wenig im Haushalt, erledige Organisatorisches, schreibe, male oder recherchiere. Zwischendurch achte ich darauf, dass ich Entspannungsübungen mache – und wenn es nur für fünf Minuten sind. Telefonate verschiebe ich grundsätzlich auf gute Tage, da sie mich sehr anstrengen. Abends koche ich mit meinem Mann zusammen. Wir haben für die gemeinsame Zeit und Gespräche dann meist zwei Stunden reserviert, die wir noch zusammen im Wohnzimmer essen und einen Film schauen. Danach ziehe ich mich zwischen 20 h und 21 h zurück, um meine täglichen Dehnungs- und einige wenige Muskelaufbau-Übungen zu machen. Gegen 22 bis 23 h gehe ich zu Bett.

Dank einer Hilfe, die einmal pro Woche für vier Stunden kommt, habe ich im Haushalt ein wenig Unterstützung. Mein Mann übernimmt die großen Einkäufe, während ich Kleinigkeiten besorge. Die Fahrten zu Ärzten und Therapien erledige ich zu 80 Prozent mit dem Taxi oder MOIA. Früher hatte ich deswegen ein sehr schlechtes Gewissen und dachte, ich sei zu bequem, den ÖPNV zu nutzen. Inzwischen weiß ich, dass diese Selbstfürsorgemaßnahmen mich schon seit Jahren vor größeren Crashs geschützt haben.  

An Wochenenden unternehmen mein Mann und ich mit unserer Hündin wiederum kleine Ausflüge ins Grüne. Manchmal besuchen wir auch eine Ausstellung oder gehen in die Bücherhallen. Klassische Konzerte waren früher noch gut machbar, sind jedoch seit der Salicylatintoleranz sehr schwierig geworden. In der Regel parfümieren sich v.a. die Besucherinnen so stark, dass es für mich selbst mit Maske manchmal unmöglich ist, im Raum zu bleiben. Trotzdem versuchen wir es immer wieder und haben uns inzwischen angewöhnt, Sitze am Rand zu reservieren – sodass ich den Düften nicht so sehr ausgesetzt bin. Alle Unternehmungen sollten jedoch nur maximal drei Stunden dauern. Mehr ist in der Regel nicht machbar, weil ansonsten ein Crash droht.

Popkonzerte wiederum sind aufgrund der Lautstärke und der Menschenmengen nicht mehr machbar. Auch Restaurantbesuche sind aufgrund der zahlreichen Unverträglichkeiten fast unmöglich geworden. Eine Ausnahme bilden Steakhäuser, da ich dort in der Regel ein frisch gebratenes Stück Fleisch sowie eine Backkartoffel bekomme.

Ansonsten ist meine Ernährung nach wie vor stark eingeschränkt. Im Vergleich zu anderen MCAS-Erkrankten, die gleichzeitig unter einer Salicylatintoleranz leiden, kann ich jedoch inzwischen wieder zwischen 20 bis 30 Lebensmitteln auswählen. Das ist auf jeden Fall ein Fortschritt. Da ich sehr oft gefragt werde, was ich zu mir nehme, hier die Antwort: Ich esse nach wie vor rollierend und achte dadurch darauf, dass ich nicht ständig dieselben Lebensmittel zu mir nehme. Dabei ernähre ich mich hauptsächlich von frischem Biofleisch und histaminarmen Fischsorten, glutenfreien Porridges (mit Wasser angerührt), Lein- und Hanföl sowie Gemüse mit niedrigen Salicylatwerten. Hanf- und Reisprotein unterstützen meine Eiweißzufuhr. Manchmal gönne ich mir auch eine Portion Reis oder eine Backkartoffel. Obst esse ich zurzeit nur in homöopathischen Dosen (z.B. eine Heidelbeere als Dekoration). Auf Gluten muss ich leider nach wie vor verzichten, da es mein Leaky Gut wieder anfacht. Milchprodukte wiederum würde ich gern wieder einschleichen. Bisher ist dies jedoch sehr schwierig. Ziegen- und Schafsmilchprodukte sind noch am verträglichsten. Aber wahrscheinlich habe ich Probleme mit der Benzoesäure, die in vielen Milchprodukten enthalten ist. Zucker wiederum ist mehr oder weniger tabu, wobei ich mir inzwischen aber auch mal ein Stück Schokolade oder ein paar Gummibärchen gönnen kann. Auch Esskastanien vertrage ich gut. Bei Getränken bin ich nach wie vor sehr eingeschränkt: Sulfatarmes stilles Wasser und Roibuschtee sowie zwischendurch ein Schluck Wasserkefir – das ist alles, was mir noch möglich ist.

Medikamentös bin ich mit der MCAS-Basismedikation sowie mit LDN und einem Mittel zum Schlafen gut ausgestattet. Im Gegensatz zu früher benötige ich kaum mehr Schmerzmedikamente. Auch der Gebrauch von Muskelrelaxantien ist stark gesunken.

Darüber hinaus setze ich v.a. auf natürliche Hormone sowie die Mikronährstofftherapie. Da ich zudem die Verdauung sowie Entgiftung unterstütze und den Darm saniere, kommen damit jedoch täglich mehrere Kapseln zusammen, die ich zu schlucken habe. Die schiere Anzahl der Pillen erschreckt mich manchmal. Aber es gibt zumindest derzeitig keine Option, sie wegzulassen. Mein Körper braucht die Nährstoffe und Hormone, was sich durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen immer wieder beweisen lässt.

Bei allen Einschränkungen bin dankbar, dass so vieles wieder möglich ist, was 2019 so weit entfernt zu sein schien. Es ist ein kleines, feines Leben, das ich inzwischen führe – mit sehr viel Disziplin, aber auch mit vielen kleinen und großen Glücksmomenten.



was mir fehlt…

Aber mir fehlt sehr viel aus meinem früheren Leben: Zu gern würde ich z.B. wieder ins Schwimmbad gehen, wie früher, als ich noch meine Bahnen zog. Dies scheitert zurzeit jedoch zurzeit allein daran, dass meine Haut auf Chlorwasser allergisch reagiert.
Und ich wäre überglücklich, wenn ich einem Café einfach mal unbeschwert einen Tee trinken könnte, anstatt nur auf stilles Wasser zu setzen. Auch die Kurztrips übers Wochenende fehlen mir sehr, die wir früher regelmäßig unternahmen. Wir haben uns inzwischen angewöhnt, einige Male im Jahr ans Wasser zu fahren, wobei wir stark darauf achten, dass die Reisezeit weniger als drei Stunden per Auto beträgt. Diese Urlaube sind mir sehr viel wert. Früher sind wir jedoch sehr oft verreist, um unsere Freunde zu treffen und neue Orte kennenzulernen. Dies ist inzwischen in dem Umfang nicht mehr möglich.

Da wir viele Freunde haben, die nicht an unserem aktuellen Wohnort wohnen, bin ich darauf angewiesen, dass diese mich besuchen. Einige tun dies, wofür ich sehr dankbar bin. Aber andere habe ich seit Jahren nicht mehr getroffen. Zudem habe ich einen Großteil meiner Familie und meine Heimatstadt seit über 15 Jahren nicht mehr gesehen, weil ich am anderen Ende von Deutschland aufgewachsen bin. An Fernreisen ist sowieso nicht mehr zu denken. Hier stehen mir nicht nur die geringe körperliche Belastbarkeit, sondern vor allem meine zahlreichen Nahrungsmittelunverträglichkeiten im Weg. Auch wenn ich inzwischen wieder ca. 20 bis 30 Lebensmittel zur Verfügung habe, so wüsste ich nicht, wie ich mich anderswo ernähren könnte. Das Land Japan, das ich durch mein Studium kennen und lieben lernte, habe ich seit 2001 nicht mehr besucht. Dadurch sind mir die meisten japanischen Freunde weggebrochen. Wenn ich mir das vor Augen führe, wird mir klar, wie einschränkend und wie einschneidend diese Erkrankung ist.



hoffnung und realismus

Aber ich bin immer noch optimistisch und träume davon, dass ich noch weitere Fortschritte machen kann. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Da ich immer älter werde, muss ich damit rechnen, dass andere Erkrankungen hinzukommen und mir das Leben schwermachen werden. Zudem bin ich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen vor Crashs nicht gefeit. Während ich dieses Buch schreibe, erlitt ich z.B. einen Rückfall durch einen hartnäckigen Infekt. In der Zeit musste ich für eine Weile alle Außentermine absagen, um nicht noch tiefer zu rutschen und wieder Kräfte sammeln zu können.  

Auf die Forschung wiederum setze ich persönlich nicht mehr viel. Dafür bin ich zu lange erkrankt und auch schon zu alt. Trotzdem hoffe ich für andere und v.a. jüngere Betroffene, dass irgendwann wirksame und v.a. verträgliche Medikamente entwickelt werden. Angesichts der desolaten Versorgung der ME/CFS- und MCAS-Patienten sehe ich wiederum oft schwarz. Nach wie vor bemühe ich mich um Aufklärung und hatte in diesem Rahmen letztens auch wieder ein Interview mit einer Nachrichtenagentur. Aber mir wurde in den letzten zwei Jahren klar, wie langsam die Mühlen mahlen. Ich setze meine Hoffnung eher in die individuellen kleinen Schritte und die kleinen Erfolge, die ich zu verzeichnen habe. Und da es bei mir trotz all der Bemühungen nach wie vor Baustellen gibt, an denen ich weiterarbeiten muss, gibt es auch die Möglichkeit der weiteren Verbesserung. Denn auch wenn ich fast alle Nährstoffmängel beseitigt habe, so stehe ich z.B. aktuell mit dem Wirkstoff Q 10 oder auch mit meiner Jodversorgung noch auf Kriegsfuß. Genauso bleibt mein Mikrobiom eine Dauerbaustelle, auch wenn sich die Werte langsam, aber stetig über die Jahre erholen. Mir ist jedoch klar, dass die Darmsanierung ein Lebensprojekt darstellt, das vor allem ein Ziel hat: Schlimmeres verhindern und in Mini-Schritten vorwärtskommen. Genetisch bin ich in Hinblick auf Darmgesundheit katastrophal aufgestellt. In meiner Familie sind Morbus Crohn und Darmkrebs sowohl von väterlicher als auch von mütterlicher Seite sehr weit verbreitet, sodass ich froh sein muss, bisher noch nicht davon betroffen zu sein.



katastrophale medizinische versorgung

Angesichts der schlechten Versorgung von ME/CFS- und MCAS-Erkrankten in unserem Gesundheitssystem bin ich wiederum immer wieder aufs Neue fassungslos. Ich weiß, dass ich die starken Verbesserungen meines Gesundheitszustandes nur dank einiger Privatärzte erzielen konnte. Hätte ich vor einigen Jahren nicht ein kleines Erbe erhalten, hätte ich keine Möglichkeiten gehabt, diese zu bezahlen. Wäre ich in den letzten Jahren weiterhin auf das Kassensystem angewiesen gewesen, sähe das ganz anders aus. Auch heute erlebe ich trotz der klaren Diagnostik Unwissen und Gleichgültigkeit bei manchen Kassenmedizinern, was mich immer wieder erschreckt. In gewissen fachmedizinischen Bereichen wird es immer schwieriger, als komplex Erkrankte überhaupt einen Termin zu erhalten. So bin ich öfters als mir lieb ist gezwungen, auf die Expertise von Privatmedizinern zurückzugreifen. Natürlich gibt es Ausnahmen, für die ich enorm dankbar bin – allen voran mein Hausarzt, der mich nun schon seit zwanzig Jahren begleitet. Gleichzeitig habe ich große Angst vor dem Tag, an dem er in Rente geht – was unwiderruflich irgendwann der Fall sein wird.

Daher kann ich mit Hilfe dieses Buches nur wiederholt und inständig an die Politik plädieren, die notwendige Einrichtung von bundesweiten Anlaufstellen für ME/CFS und MCAS zu forcieren. Ich bitte die Ärzte in diesem Land, sich mit ME/CFS und MCAS auseinanderzusetzen und diese Erkrankungen bei unklaren Beschwerden in Betracht zu ziehen sowie die notwendige Diagnostik durchzuführen. Es gibt inzwischen Schulungen vonseiten der Charité[1], vom VAEM e.V. (Verein für Förderung der Allergie- und Endoskopie-Forschung am Menschen e.V.) und anderen Stellen, die auch online besucht werden können. Diese Bitte geht auch an Kranken- und Rentenversicherungen sowie Versorgungsämter. Es ist keine Option mehr, diese Erkrankungen zu leugnen und den Betroffenen notwendige Leistungen zu verweigern.

Und ich bitte v.a. die Hausärzte, komplex Erkrankte nicht im Stich zu lassen. Zu oft höre und lese ich, dass ME/CFS-Betroffenen von Hausärzten nicht mehr aufgenommen werden, da sie „zu komplex“ sind. Hilferufe von Schwersterkrankten gehen viral, weil sie die Unterstützung eines Hauarztes benötigen, der noch Hausbesuche macht. Mir ist bewusst, dass die Budgets und der Leistungsdruck in den Arztpraxen Deutschlands ein großes Problem sind. Aber wenn jeder Hausarzt ein bis zwei ME/CFS-Betroffene betreuen würde, dann wäre dies für alle Beteiligten machbar.  Das, was teilweise aktuell in Deutschland geschieht, grenzt an unterlassener Hilfeleistung.




[1] Sie finden die Online-Schulungen on Demand unter folgendem link: https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/informationen-fuer-aerztinnen-und-aerzte/on-demand-fortbildung/

Samstag, 15. Juni 2024

Alle Beiträge zum Thema "Pacing"


Da dieser Blog in relativ kurzer Zeit sehr stark gewachsen ist, habe ich mich entschieden, zu einzelnen wichtigen Themen separate Übersichten über die bereits erschienenen Beiträge bereitzustellen, die regelmäßig aktualisiert werden. Diese Übersichten finden Sie in der rechten Spalte ganz unten.

Eine unerlässlich wichtige Strategie bei ME/CFS und MCAS ist das Pacing.

Die dazugehörige Übersicht finden Sie hier

Donnerstag, 13. Juni 2024

Wut

 


Aggressionen, die sich in Wut, (Jäh-)zorn, Ärger oder gar Hass zeigen, können sehr destruktiv sein und zu Verletzungen, Gewalt und Vernichtung führen. Viele Betroffene lehnen diese Gefühle daher allein aus diesem Grund gänzlich ab. Gerade diese Aggressionen können jedoch lebensbejahende, verändernde und kräftigende Reaktionen auf ungute Situationen sein.

Angesichts der Erfahrungen, die Betroffene durch die Erkrankung in unserem Gesundheitssystem machen müssen, ist Wut mehr als berechtigt und sollte unbedingt beachtet und bearbeitet werden, da ansonsten negative Folgen auftreten können. Der richtige Umgang ist jedoch schwer. Vor allem Frauen richten ihre Wut oft unbewusst nach innen. Sie schlucken ihre Aggressionen herunter, was sich in Magenschmerzen, Verspannungen, Schmerzen oder gar Depressionen äußern kann. Oder sie haben noch nie bewusst ihre Wut gespürt, da sie diese Gefühle gänzlich abgespaltet haben. Andere Betroffene werden gefühlsmäßig überflutet und können ihre Aggressionen dadurch nicht mehr kontrollieren. Sie sind überfordert, ständig gereizt und fahren regelrecht aus der Haut. Auch wenn sie nicht gewalttätig werden, kritisieren sie ihre Partner und Kinder meist auf verletzende Art und Weise. Im nächsten Moment fühlen sie sich dann schuldig. Andere verletzen sich selbst, um ihre Wut zu unterdrücken. Auch Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit sowie Fressattacken kommen häufig vor, da der seelische und körperliche Druck einfach zu groß ist. Und nicht zuletzt gibt es Betroffene, die durch die kleinsten Anzeichen von Wut getriggert werden und in der Folge zusammenbrechen. Dabei ist es völlig egal, ob es sich um ihre eigene Wut oder die ihrer Mitmenschen handelt.

Und doch kann Wut so viel Positives bewirken, sofern sie konstruktiv ausgelebt wird. Haben Sie zum Beispiel schon einmal von gerechter Wut oder gerechtem Zorn gehört? Wut kann Veränderungen herbeirufen. Viele Frauen und Männer in der Geschichte kämpften gegen Ungerechtigkeit auf dieser Welt. Auf Basis ihrer Wut wurden sie laut und verlangten die Gleichberechtigung. Sie stellten sich gegen Diktatoren und ihre Peiniger. Und sie gingen auf die Straße, um Veränderungen zu erreichen – für sich selbst, für ihre Kinder und Kindeskinder. Heute engagieren sich viele Menschen weltweit für den Umwelt- und Tierschutz oder die Rechte der Frauen. Flüchtlingshelfer und Rassismusgegner nutzen ihre Wut, um gegen den Krieg und Rassismus zu protestieren und gleichzeitig zu helfen. Entscheidend dabei ist, dass die Wut auf gesunde und friedliche Art und Weise geäußert und keine Gewalt angewandt wird. Wut, Ärger und Aggression müssen also nicht destruktiv sein. Im Gegenteil: All diese Gefühle sind verantwortlich für vieles Gute auf dieser Welt. Sie geben Kraft und Energie. Außerdem verhelfen sie zu Selbstschutz, Konfliktfähigkeit und Durchsetzungskraft.[i]


wut will gelernt sein

Wenn Sie bisher noch nie Kontakt mit Ihrer Wut hatten, sollten Sie diese anfangs jedoch nur in homöopathischen Dosen kennenlernen. Entscheidend ist, sich dabei nicht zu überfordern und auf emotionale sowie körperliche Grenzen zu achten. Idealerweise verlegen Sie die Annäherung an dieses Gefühl erst einmal in eine Therapiestunde. Anfangs wird Ihren Therapeuten die Zeit, in der Sie sich mit Ihrer Wut beschäftigen, kurzhalten. Später werden Sie Möglichkeiten finden, um die hochkommende Aggression in kleinen Dosen konstruktiv auszuleben. Auch wenn Sie Angst haben, sich oder jemanden während Ihrer Wutausbrüche zu verletzen, sollten Sie sich an einen Therapeuten wenden. Sprechen Sie es aus.

Bitte versuchen Sie jedoch nicht, mit diesem Gefühl allein zu arbeiten. Sie könnten sich selbst schaden oder triggern. Besonders vorsichtig sollten Sie sein, wenn Sie noch nie bewusst mit Wut zu tun hatten oder diese zu lange aufgestaut haben.  Ein guter Therapeut wird sich dann mit Ihnen zusammen in kleinen Schritten Ihren Aggressionen nähern und Ihnen mehr über die positiven Seiten der Wut erzählen. Konstruktiv eingesetzt und ausagiert, kann diese Grenzen setzen. Sie hilft Ihnen, für die eigenen Bedürfnisse einzustehen, Nein zu Sagen und einen gesunden Egoismus zu entwickeln.[ii]

Achten Sie in einer Therapie jedoch darauf, dass Sie nicht zu destruktiven und gefährlichen Verhaltensmustern wie z.B. zu unkontrollierter Wutarbeit aufgefordert werden. Nach wie vor kommt es vor, dass Klienten in der Therapie mit einem Stock oder Tennisschläger auf einen Schaumstoff-Ballen oder ein Kissen einschlagen sollen. Aber diese destruktiven, unkontrollierbaren Methoden sind zum einen veraltet und zum anderen völlig kontraproduktiv und zudem stark triggernd. Inzwischen wird schonender vorgegangen und darauf geachtet, dass Betroffene ihre Wut auf konstruktive und gesunde Art und Weise ausdrücken. Dazu zählt z.B. auch, die eigenen Körpersignale in Hinblick auf Wut besser kennenzulernen. Typische Merkmale für Wut sind gesteigerte Anspannung, zusammengepresster Kiefer oder geballte Fäuste, schwerer Atem und hoher Puls. Darüber hinaus können Sie das Gefühl haben, von einer Hitze- oder Energiewelle erfasst zu werden.[iii]

Wenn Sie im Alltag diese ersten körperlichen Anzeichen registrieren können, haben Sie schon viel erreicht. Sie können dann in brenzligen Situationen versuchen, sich eine Auszeit nehmen, um einen Ausbruch zu vermeiden. Zählen Sie langsam bis zehn (oder vielleicht sogar auf 100). Atmen Sie tief durch. Trinken Sie einen Schluck Wasser. Und ganz wichtig: Sagen Sie oder tun Sie nichts, was Sie später bereuen könnten.[iv]

Versuchen Sie stattdessen, ihre Wut auf gesunde Art und Weise auszudrücken. Dies geschieht, wenn Sie z.B. respektvoll über die eigene Wut sprechen oder sie schriftlich in Worte fassen. Später können Sie Ihre Wut symbolisieren und ein Bild malen. Oder schreiben Sie einen Brief. 


Wutskill-listen

In diesem Zusammenhang ergibt es Sinn, eine Wut-Skill-Liste anzulegen. Nutzen Sie die Skills anfangs jedoch nur in der Therapie. Später, wenn Sie die Wut kontrollieren können, können Sie die Skills auch allein zuhause anwenden. Begrenzen Sie aber die Zeit: Maximal 5-15 Minuten sollten Sie sich mit Ihrer Wut beschäftigen, selbst wenn Sie das Gefühl haben, dass diese nicht ausreichen. Es ist wichtig, wieder aufhören zu können. Dadurch lernen Sie, Ihre Wut selbst zu dosieren und sie damit auch selbst zu kontrollieren. Die Skills helfen vor allem, wenn Sie das Gefühl haben, von Ihrer Wut überwältigt zu werden.

Kurzfristige Wutskills[1]

 ·        Ein Bild über die Wut malen

·        Einen Brief über oder an Ihre Wut schreiben

·        Einen Brief an die Menschen schreiben, die Sie geärgert haben

·        Die Wut gestalten, z.B. mit Ton 

·        Wut- oder Knautschbälle kneten

·        Ein Handtuch wringen

·        Zeitungen und Zeitschriften zerreißen

·        In den Wald gehen und laut brüllen

·        Laut singen

·        (Tanzen und Stampfen bzw. sich bewegen)

·        Altpapier (Kartons sind gut!) und Altglas wegbringen

·        (Fenster putzen)

·        Entrümpeln

Mittelfristige Ressourcen gegen die Wut

·        Gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung agieren

·        Grenzen setzen und „Nein“ sagen

·        Rhetorik-Kurs; Seinen eigenen Standpunkt in Diskussionen klar vertreten

·        Kunst: Malen, Schreiben, Dichten, Singen…

·        (Selbstverteidigungskurs)

 

triggersuche

Nach einem Wutanfall ist es sinnvoll, sich die Situation noch einmal vor Augen zu führen und zu reflektieren, ob die Wut angebracht war. So werden Sie mit der Zeit einige Wut-Trigger entlarven können. In der Therapie können Sie dann überlegen, welche Trigger gerechtfertigt sind und wie Sie darauf eventuell besser reagieren können. Andere Trigger können eher der Vergangenheit zugeordnet werden. Sie sind für die Gegenwart ungefährlich und sollten dann im nächsten Schritt entschärft werden.

Bei der Triggersuche sollten zudem körperliche Ursachen mit einbezogen werden. Viele Betroffene sind z.B. sehr gereizt, wenn sie sich in einem Crash befinden und fahren dann wegen Kleinigkeiten aus der Haut. Frauen können im Rahmen ihres monatlichen Zyklus oder während der Wechseljahre aufgrund von Hormonschwankungen an Wutausbrüchen leiden. Aber auch eine Hormonersatztherapie kann zu Problemen führen. Und zu guter Letzt kann auch eine Übermethylierung verantwortlich sein für die unbegründete Wut sein.[2] Wenn eine körperliche Ursache festgestellt wurde, sollten Sie diese unbedingt behandeln. Denn diese Wut kostet Kraft, die Sie eigentlich nicht besitzen.


Ich selbst hatte einmal aufgrund eines Gestagens, das mir verordnet wurde, jeden Abend heftigste Wutanfälle, die in Sui**Gedanken endeten. Zum Glück war der Zusammenhang zu dem Hormonpräparat, das ich immer abends einnehmen sollte, so klar, dass ich nicht lange rätseln musste. Nachdem ich es abgesetzt hatte, war der Spuk auch schon wieder vorbei. Gleichzeitig weiß ich, dass ich bei Crashs grundsätzlich gereizter bin als im Normalzustand. Daher ist eine unbegründete Gereiztheit, die im buchstäblichen Sinn mit einer höheren Reizempfindlichkeit einhergeht, für mich immer ein Alarmsignal.

Und zu guter Letzt kenne ich auch die Zeichen einer Übermethylierung. Da ich genetisch bedingt eher untermethyliert bin, arbeite ich mit Nahrungsergänzungsmitteln, die mir auch sehr helfen. Im letzten Jahr vermutete ich aufgrund einer höheren Gereiztheit jedoch eine Übermethylierung, was ich durch einen Bluttest dann auch bestätigt bekam. Nachdem ich ein gewisses NEM absetzte, ging es mir diesbezüglich wieder besser.


Eventuell werden Sie aber auch feststellen, dass hinter dem Trigger für die – angstbesetzte und unerwünschte – Wut ein ganz anderes Gefühl wie z.B. Scham oder Schuld steckt. Dann gilt es, sich zuerst um dieses Gefühl zu kümmern.[v]

Und nicht zuletzt ergibt es Sinn, auf der inneren Bühne nachzuschauen, um herauszufinden, welcher Anteil Wut empfindet und welcher Anteil konstruktiv mit der Wut umgehen könnte.

 



[1] Es gibt noch mehr Wut-Skills. Ich habe jedoch nur diese aufgeführt, die zumindest bei einer milden ME/CFS noch möglich sind – und die kontraindizierten Bewegungsmöglichkeiten wie Rennen, Boxen etc. nicht berücksichtigt. Auch einige weitere Skills sind kritisch in Hinblick auf die körperliche Belastbarkeit. Diese habe ich in Klammern gesetzt.

[2] Mehr Informationen zum Methylierungszyklus und seinem Einfluss auf das psychische sowie körperliche Wohlbefinden finden Sie u.a. auf https://www.intelligent-gesund.de/methylierung/ oder in dem Buch „Schmutzige Gene“ von Dr. Ben Lynch



[i] Ebenda

[ii] Spangenberg, Ellen (2008): Dem Leben wieder trauen. Traumaheilung nach sexueller Gewalt. S. 130

[iii] Boon, S. und weitere (2013): Traumabebedingte Dissoziation bewältigen. Ein Skills-Training für Klienten und ihre Therapeuten. S. 258

[iv] Ebenda, S. 259

[v] Ebenda, S. 253

Der Schwergrad-Rechner für ME/CFS und Long/ Post Covid aus der Schweiz: FUNCAP

In der Schweiz wurde von Forschern ein Fragebogen inkl. Rechner entwickelt, um die funktionelle Leistungsfähigkeit bei ME und Long Covid fes...