Das autonome Nervensystem (ANS),
ist der Teil des Nervensystems, der nicht unter unserer willentlichen Kontrolle
unterliegt. Es besteht laut Stephen Porges aus:
·
dem neuen Parasympathicus, der ventraler (oder
vorderer) Vagusnerv oder (Nerven-)Regelungskreislauf 1 genannt wird,
·
dem Sympathicus, der als Nerven- oder
Regelungskreislauf 2 bezeichnet wird und
·
dem alten Parasympathicus, der auch als dorsaler
(hinterer) Vagusnerv oder (Nerven-)Regelungskreislauf 3 bekannt ist.
Früher ging man davon aus, dass
unser autonomes (oder vegetatives) Nervensystem aus zwei Nervenkreisläufen,
nämlich dem Parasympathicus und dem Sympathicus, besteht. Dank Stephen Porges
und seiner Polyvagal-Theorie ist heute jedoch bewiesen, dass sich drei
Nervenkreisläufe in unserem autonomen Nervensystem befinden. Porges fand bei
seinen Recherchen den älteren Parasympathicus, von dem bis dahin niemand etwas
wusste. Dieser ist entwicklungsgeschichtlich schon sehr früh entstanden und
daher auch bereits bei Reptilien vorhanden, während der bisher bekannte, neue
Parasympathicus in der Entwicklungsgeschichte erst später entwickelt wurde und
nur bei Säugetieren und Menschen zu finden ist. Daher wird der Parasympathicus
heutzutage in zwei verschiedene Regelkreisläufe unterteilt. Zusammen mit dem
Sympathicus handelt es sich damit um insgesamt drei Regelkreisläufe des
autonomen Nervensystems.
Diese drei Kreisläufe regulieren
unsere Körper- und Organfunktionen. Gleichzeitig haben sie eine Verbindung zu
unseren Emotionen, die wiederum unser Verhalten mitsteuern.[i]
In der unteren Abbildung werden sie gemäß ihrer Funktion dargestellt.
Die beiden neueren Regelkreisläufe 1 und 2 übernehmen die alltäglichen
regulativen Aufgaben, während der Regelkreislauf 3 nur in extremen
Notfallsituationen bzw. Traumata aktiviert wird.[ii]
Wenn in der ME/CFS-Therapie und im Volksmund vom Nervus Vagus gesprochen wird,
ist der Regelkreislauf 1 und damit der neue Parasympathicus gemeint.
Die beiden Regelkreisläufe 1 und
2 steuern damit in einem komplexen Gleichgewicht die alltäglichen körperlichen
Funktionen, die wir selbst nicht durch unseren Willen kontrollieren können. Dabei
ist der Sympathicus genauso wichtig wie der neue Parasympathicus. Jede Bewegung
wird vom Sympathicus gesteuert. Er ist notwendig für uns und sollte daher auch
nicht verteufelt werden.
Bei ME/CFS und MCAS ist das ANS jedoch
außer Kontrolle. Der Sympathicus feuert, der neue Parasympathicus kommt kaum zu
Wort. Es gibt dann nur noch die ständige Aktivierung des Sympathicus bzw. des
Regelkreislaufs 2 und damit eine typische chronische Hochstressreaktion (Flucht
oder Kampf). Herzschlag, Atmung, Blutfluss, Verdauung, Wasserlassen und
sexuelle Erregung werden dadurch u.a. behindert. Funktionelle Störungen treten
vermehrt auf, die wiederum weitere Probleme nach sich ziehen.
Betroffene haben daher die
schwierige Aufgabe, ihren Körper wieder in einen ausgeglichenen Zustand
zurückzuführen. Hier setzen alte Techniken wie Qi Gong oder traumasensitives
Yoga sowie Übungen aus dem Nervus Vagus-Training an. Sie können sowohl bei
chronischer Hochanspannung (Sympathicus) als auch bei Untererregung (alter
Parasympathicus) eingesetzt werden. Je nach Übung erfolgt eine beruhigende oder
eine anregende Wirkung. Aber auch einfache Skills wie der Einsatz von Düften,
Musik, Gurgeln, Singen, Summen oder angemessene Bewegung (Tanzen,
Spazierengehen, einfache Gymnastikübungen) sowie Flow-Aktivitäten wie Malen
haben positive Effekte. Der Großteil dieser Übungen ist nicht neu, hat aber
durch die Polyvagal-Theorie und die Brain Retraining-Programme eine größere
Bedeutung gefunden und wurde teilweise weiterentwickelt. In diesem Blog finden
Sie eine Vielzahl von einfachen Übungen zur Beruhigung und Entspannung, die Sie
auch allein zuhause durchführen können.Weitere Informationen erhalten Sie zudem über die Bücher "Ein kleines, feines Leben: Heilung durch Traumatherapie" oder Kopf über Wasser: Leben mit ME/CFS und MCAS"
[ii] Eder, Ursula & Sperlich, Franz
(2019): „Das Parasympathicus-Prinzip“. S. 25. München: Gräfe und Unzer Verlag
GmbH
[iii] Vgl. Rost,
Christine und Overkamp, Bettina (2018): Selbsthilfe bei posttraumatischen
Symptomen: Übungen für Körper, Geist und Seele.S. 23/24, Paderborn: Junfermann
sowie
Heller, Laurence und Lapierre, Aline (2020): Entwicklungstrauma heilen: Alte
Überlebensstrategien lösen, Selbstregulierung und Beziehungsfähigkeit stärken.
S. 142/ 143. München: Kösel-Verlag, 7,
Auflage
und
https://malwina.coach/artikel/polyvagaltheorie/, zuletzt aufgerufen am
18.09.2021