Dienstag, 2. Juli 2024

Vor den Trümmern meiner Existenz



In einem Beitrag habe ich über die Anfänge meiner ME/CFS-Erkrankung bereits berichtet: 
Wie bei mir die ME/CFS anfing: Die Odyssee beginnt!


Hier folgt die Fortsetzung:

18 Monate nach unserer Hochzeit - und dem Gefühl, wieder geheilt zu sein - sollte ich vor einem Desaster stehen, da ich einige Monate nach der Hochzeit starke Muskelbeschwerden entwickelte, die als Fibromyalgie diagnostiziert wurden. Einige Monate später kamen die ersten heftigen Krampfanfälle hinzu, deren Häufigkeit und Dauer stark zunehmen sollten. Diese Anfälle bereiteten mir unfassbare Schmerzen, nahmen mir jegliche Kontrolle und ließen mich zutiefst beschämt zurück. Nicht nur einmal landete ich damit in der Notaufnahme, wurde jedoch am nächsten Morgen wieder entlassen. Diagnostiziert wurden diese Anfälle damals als dissoziative Krampfanfälle.[1] Trotzdem arbeitete ich weiter, auch wenn ich mich nach einem Jahr entschied, nur noch eine Halbtagsstelle wahrzunehmen. Mein neuer Arbeitgeber hatte diesbezüglich zum Glück sehr viel Verständnis. Ich hoffte, dass sich mein Gesundheitszustand dadurch wieder verbessern könnte. Aber es funktionierte nicht mehr. Ich war bereits zu geschwächt. Nach weiteren sechs Monaten musste ich mich wieder krankschreiben lassen. Damals war ich an einem Tiefpunkt angelangt und wusste einfach nicht mehr weiter. Es gab einige Momente, in denen ich darüber nachdachte, aufzugeben. Mein so unerschütterlicher Kampfgeist, der mich über Jahrzehnte aufrecht gehalten hatte, war erloschen. Ohne meinen Mann hätte ich meine Gedanken wahrscheinlich in die Tat umgesetzt.

Aber dank ihm und meiner Behandler bewarb ich mich bei einer Traumafachklinik, die sich auch mit dissoziativen Krampfanfällen auskannte. Obwohl diese nach einem Vorgespräch bereit war, mich aufzunehmen, stellte sich die Krankenkasse quer. Nur mit viel Geduld und mit Hilfe meiner Behandler sowie einem Anwalt schaffte ich es, die Genehmigung für einen Aufenthalt zu bekommen. Wie viel Kraft mich das alles kostete und wie instabil ich seelisch und körperlich war, merkte ich spätestens in der Klinik selbst. Aber diese Klinik hat mir im Nachhinein das Leben gerettet. 2007 verbrachte ich dort zwölf Wochen. Zwölf Wochen, in denen ich lernte, mit all meinen Symptomen umzugehen, mich selbst zu stabilisieren und erste Selbstfürsorgemaßnahmen umzusetzen. Darüber hinaus lernte ich neue Qi Gong-Übungen kennen und lieben. Vor allem aber wurde mir klar, dass ich mein Leben grundlegend ändern muss, wenn ich weiterleben möchte. Noch von der Klinik aus hatte ich einen Termin bei der Rentenversicherung, wo ich meinen Rentenantrag einreichte. Begründet wurde dieser mit meinen schweren Traumafolgestörungen. Die körperlichen Probleme wurden als rein psychosomatisch gedeutet, was ich damals selbst glaubte. Mein Mann und ich entschieden uns trotzdem, in eine ruhigere Wohngegend und v.a. in eine Erdgeschosswohnung umzuziehen, damit ich keine Treppen mehr steigen musste. Die Diagnose "ME/CFS" war jedoch nach wie vor kein Thema!

Der Kampf um die Rente sollte sich jedoch nochmals zuspitzen, nachdem ein Gutachter mich wieder eine stationäre Reha schicken wollte, obwohl alle meine Behandler dafür plädierten, dass ich in meinem Zustand nicht mehr rehatauglich sei. Auch die Krankenkasse bestand auf eine nochmalige Reha. Der Gutachtertermin verlief daher katastrophal. U.a. wurde ich mit einem Krampfanfall allein im Behandlungszimmer liegen gelassen. Zum Glück hatte ich damals auf eine Begleiterin bestanden, so dass ich eine Zeugin hatte. Zusammen erstellten wir ein Gedächtnisprotokoll und schickten sofort an die Rentenversicherung. Der VdK war mir in diesem Fall jedoch keine große Hilfe. Wieder musste ich von meiner Seite einen Anwalt einschalten. Dank ihm konnte diese Angelegenheit zu meinen Gunsten entschieden werden. Die Rentenversicherung übernahm damals sogar die Kosten für die anwaltliche Beratung, da sie den Fehler einsah. Zudem bewilligte sie mir eine befristete EM-Rente für drei Jahre. Einerseits begrüßte ich die Entscheidung mit Erleichterung. Andererseits brauchte ich sehr lange, um mit diesem Schritt emotional klarzukommen und diesen auch gutheißen zu können.

Mein Leben als EM-Renterin (2008 bis 2018)


mein umfeld

Seit Ende 2007 war ich nun rückwirkend berentet und „vogelfrei“, wie ich es gern bezeichnete. Es war ein sehr merkwürdiges Gefühl, plötzlich ohne jegliche Verpflichtungen in den Tag hineinzuleben. Anfangs fiel mir das sehr schwer, da ich sehr gern gearbeitet habe. Schwierig wurde es teilweise auch im Kontakt mit Bekannten, da ich auf die Frage „Was machst Du gerade?“ eine Antwort gab, mit der Leute mit Mitte 30 in der Regel kaum umgehen konnten. Parties, auf denen ich mich nicht mehr wohlfühlte, erinnerten mich an einen Spießrutenlauf. In dieser Zeit wurde auch deutlich, auf wen ich in meinem Bekannten- und Freundeskreis wirklich zählen konnte – und auf wen nicht. Hier sollte ich mich in einigen sowohl in die positive als auch in die negative Richtung getäuscht haben. Emotional war diese Phase allein dadurch schon eine Berg- und Talfahrt. Auch familiär wurde es sehr schwierig, da ich aufgrund der Trauma-Erinnerungen zum Schwarzen Schaf wurde, das nicht mehr bereit war, alte Geheimnisse zu verschweigen. Ich stieß damit weniger auf Verständnis, als ich mir erhofft hatte. Die Familienmitglieder reagierten zum Teil sehr ungläubig, zum Teil jedoch auch mit Vorwürfen. Mit meiner Erkrankung konnten die wenigsten umgehen. Daher musste ich mich schützen. Mir blieb bei einigen nur der Schritt zur Kontaktpause bzw. zum endgültigen Kontaktabbruch. Dies alles war für mich emotional sehr belastend, da ich meine Familie trotz allem über alles liebe. Professionelle Unterstützung hatte ich in der Zeit von meinem Hausarzt, meiner Therapeutin sowie meinem Seelsorger.

Durch unseren Umzug in einen anderen, sehr viel ruhigeren, Stadtteil konnte ich jedoch neu anfangen. Wir erfüllten uns zudem einen großen Wunsch, indem wir einen Hund aus dem Tierschutz übernahmen. Dieser gab mir sehr viel Halt und Struktur, auch wenn er anfangs alles andere als leicht war und eine Resozialisierung benötigte. Aber durch den Hund und die vielen langen Spaziergänge baute ich mir auch einen neuen Bekanntenkreis auf, der mich in erster Linie als „Frauchen von Coco“ sah – und nicht nachfragte, was ich beruflich mache. Dies entlastete sehr. Darüber hinaus hatte ich weiterhin meine Freunde, die mir zur Seite standen und mich auch nach dem Rentenbeginn nicht im Stich ließen. Das war für mich enorm wichtig. Am allerwichtigsten war jedoch mein Mann, der mich in all meinen Vorhaben unterstützte und mit darauf achtete, dass ich meine neuen Grenzen einhielt. So vereinbarten wir z.B., dass wir bei Treffen mit Freunden nach 2,5 Stunden langsam Schluss machen. Auch wenn mir damals das Adrenalin oft noch vorgaukelte, dass ich längere Termine schaffen kann, machte mein Mann jedes Mal die notwendige Ansage.


traumatherapie und selbstfürsorge

Parallel führte ich meine intensive Traumatherapie fort. Anfangs ging es hauptsächlich um die Selbstfürsorge und die weitere Stabilisierung. Manche Maßnahmen fielen mir jedoch schwerer, als ich dachte. Denn in meinem Innersten gab es noch viele Widerstände, mich mehr zu „verwöhnen“. Aber Schritt für Schritt schaffte ich es, ein Gleichgewicht in den Alltag zu bekommen. Trotzdem hatte ich nach wie vor Krampfanfälle, die vor allem dann auftraten, wenn ich mich überfordert oder zu wenig gegessen hatte. Die Traumatherapeutinnen waren überzeugt, dass mein „Inneres Kind“ durch die Krampfanfälle spricht. Daher suchte ich in der Traumatherapie weiter nach den emotionalen Triggern, anstatt mir deutlich zu machen, dass v.a. die körperliche Überforderung verantwortlich für meine körperlichen Ausnahmezustände sind.

2009 war ich nochmals für neun Wochen in der Traumafachklinik, in denen ich mich mit meinen inneren Anteilen beschäftigt habe. U.a. schaffte ich es, auch die boykottierenden Anteile zu einer Mithilfe bei meinen Selbstfürsorgemaßnahmen zu überzeugen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass ich einerseits emotional sehr viel stabiler war als noch während des ersten Aufenthalts. Anderseits zeigte sich eine deutlich gesteigerte körperliche Erschöpfung. Z.B. ertrug ich es nicht mehr lange, mit den anderen Patienten im Gemeinschaftsraum zu sitzen. Sie waren mir viel zu laut. Gleichzeitig musste ich mehr Therapien absagen, da die Schwäche und die Krampfanfälle mir einen Strich durch die Rechnung machten. Daher zog ich mich sehr zurück, was nicht ungesehen blieb. Aber auch hier wurde von keinem einzigen Behandler daran gedacht, dass es eventuell auch eine körperliche Ursache für die Erschöpfung geben könnte.

Wieder zuhause führte ich weiterhin meinen kleinen, feinen Alltag fort. Ich lebte mit meinem Mann ein ruhiges Leben und machte meine Spaziergänge mit dem Hund. Um etwas zu dieser Gesellschaft beitragen und helfen zu können, gründete ich mit einem ehemaligen Kollegen einen Blog, in dem ich zu Sozialthemen geschrieben und Menschen beraten habe. Da ich meine Selbstfürsorgemaßnahmen weiter stark ausbaute, ging es mir auch körperlich etwas besser. In dem Zuge verlor ich jedoch nochmals zwei sehr gute Freunde, weil diese einfach nicht verstehen konnten, warum ich nicht mehr stundenlang telefonieren konnte. Sie warfen mir Egoismus vor, obwohl ich mehrfache Versuche machte, zu erläutern, was mich an Telefonaten so anstrengt. Beide Vorfälle beschäftigten mich sehr. Dank meiner Therapie konnte ich jedoch darüber reden und diese Enttäuschung verarbeiten.

Emotional ging es mir damit immer besser. Aber körperlich kamen immer mehr unerklärliche Symptome. Vor allem ein inneres Vibrieren in meinem Kopf war für mich teilweise unerträglich. Eine Erklärung wurde jedoch nicht gefunden. 2010 wurde meine EM-Rente um weitere drei Jahre verlängert, bis sie 2013 auf Lebenszeit bewilligt wurde. Der letzte Gutachter attestierte mir eine Neurasthenie[2].


überforderung rächt sich

Die Zeit verging. Ich hatte mich an das kleine, feine Leben und meine Erkrankungen gewöhnt. Da unser erster Hund älter wurde, wurden unsere Spaziergänge kürzer und gemütlicher. Dies führte dazu, dass ich wieder etwas mehr Kraft hatte und einen wöchentlichen Qi Gong-Kurs beginnen konnte, was ich sehr genoss. Darüber hinaus traute ich mich, vorerst mit der Traumatherapie aufzuhören und dafür ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe anzufangen. Anfangs tat mir das sehr gut. Ich freute mich vor allen Dingen darüber, neue Menschen kennenzulernen und ein wenig helfen zu können. Mit der Zeit nahm ich jedoch immer mehr Aufgaben an. Parallel pflegte ich unseren alten Hund, der nachts immer öfters rausmusste. Im Nachhinein hätte ich damals das Ehrenamt stoppen müssen, um mir tagsüber genügend Ruhe zu gönnen. Da ich jedoch kurz vorher einen Bürgerpreis für mein Engagement erhielt, traute ich mich nicht, damit aufzuhören. Es fühlte sich an wie Verrat gegenüber den Schutzbefohlenen, die ich sehr liebgewonnen hatte. Die Quittung bekam ich, nachdem unser erster Hund starb und wir uns eine neue Hündin aus dem Tierschutz holten, die jedoch sehr früh schwerkrank wurde. Wieder pflegte ich ein Tier, wieder schlief ich kaum. Die Anzahl meiner Migräne-Attacken nahm zu. Selbst eine Botox-Therapie, die von einer Neurologin angeboten wurden, half nicht mehr. Mir war klar, dass ich die Flüchtlingshilfe wieder aufgeben muss. Mein Pflichtbewusstsein war jedoch nach wie vor sehr stark. Daher entschied ich mich, wieder eine Verhaltenstherapie zu machen, um mit emotionaler Unterstützung den Absprung aus der Flüchtlingshilfe zu schaffen.

 

Krise und Verwirrung (2019)


Leider verselbständigte sich dann jedoch der Prozess. Ende 2018 hatte ich starke Schmerzen in der rechten Leiste, die mich zweimal in die Notaufnahme führten. Anfang 2019 wurde ich operiert, da die Ärzte der Meinung waren, dass ich eine Eileiter-Zyste habe. Im Nachhinein war es eine Fehldiagnose, die mich einen Eileiter kostete. Sie hatten den bevorstehenden Eisprung im CT mit einer Zyste verwechselt.

Bereits nach der Narkose wachte ich zitternd und zähneklappernd auf. Laut des Pflegepersonals im Aufwachraum litt ich unter einem postoperativen Shivering Syndrom. Später entwickelte ich noch eine starke Migräne-Attacke. Jedoch war kein Arzt zu sprechen. Die Krankenpfleger durften mir nichts geben. Mein Gepäck, in dem sich meine Bedarfsmedikation befand, war nicht mehr auffindbar. Das Zimmer, in dem ich lag, war zudem verdreckt. Es war ein Fiasko – und ich war heilfroh, am nächsten Tag entlassen zu werden. 

Meine starken Leistenschmerzen blieben mir jedoch erhalten. Mit der Zeit entwickelte ich Gehprobleme. Während ich anfangs zeitweise humpelte, brauchte ich einige Wochen später Gehstützen. Gleichzeitig kamen ich große Schmerzen im Sprunggelenk und in der Wade hinzu. Taubheitsgefühle im rechten Fuß traten sporadisch auf. Zudem konnte ich aufgrund der starken Schmerzen in der Leiste kaum mehr aufrecht auf einem Stuhl sitzen. Die veranlassten MRTs waren jedoch mehr oder weniger ohne Befund. Ich selbst geriet zunehmend in Panik und bemühte mich um Termine bei Fachärzten. Im Krankenhaus spritzte man mir örtliche Betäubungsmittel in die Nervenbahnen der Leiste, was jedoch nur zeitweise half. Eine Orthopädin gab mir Opiat-Infusionen. Bei einem Neurologen wurde ein S1-Syndrom festgestellt. Zudem zeigte die Nervenleitmessung an der Wade kein Signal auf. Aber keiner wusste, was wirklich los war.  Bei einem Leistenexperten stellte sich dann heraus, dass ich unter einer Reizung der inguinalen Nerven leide. Aber auch dieser konnte mir nicht sagen, was dagegen zu tun ist. Ich wiederum war bettlägerig und am Ende meiner Kraft. Im Nachhinein hatte ich durch die OP einen Riesencrash erlitten.


desaströse stationäre schmerztherapie


Daher entschloss sich mein Hausarzt, mich ins Krankenhaus einzuweisen, wo ich dann auf der Neurologie-Station und in der stationären Schmerztherapie landete. Diese war im Nachhinein ein Desaster. Anfangs hoffe ich noch darauf, dass eine weiterführende Diagnostik betrieben wird, was jedoch Fehlanzeige war. Stattdessen stellten die dortigen Ärzte die Diagnosen der niedergelassenen Ärzte in Frage und führten die Schmerzen auf die OP und somit auf das Schmerzgedächtnis zurück. Damit vernachlässigten sie völlig, dass ich bereits vorher schon Leistenschmerzen hatte, wegen der ich ja operiert wurde. Sie warfen mir zudem vor, dass ich nicht mit Schmerzen umgehen könne und zu viele Schmerzmedikamente einnehme, was mich fassungslos machte. Denn ich kannte seit Jahrzehnten keinen Tag mehr ohne Schmerzen und hielt oft genug ohne Medikamente durch. Immerhin wurde mir Gabapentin verordnet, das ich während des Aufenthalts einschlich. Meine Gehunfähigkeit wurde wiederum als somatoforme Störung diagnostiziert, was dazu führte, dass ich angehalten wurde, trotz Gehstützen Treppen zu steigen, anstatt den Fahrstuhl zu nutzen. Zudem wurde mir erklärt, ich solle weiter Traumatherapie machen und von weiteren Arztbesuchen absehen. Meine Selbstfürsorgemaßnahmen, die ich mühsam über Jahre erlernte und eingeschlichen haben, wurden ad absurdum geführt. Auch wurde mein Körpergefühl in Frage gestellt. Leider war ich damals noch nicht stark genug, um Widerspruch zu leisten, sondern rutschte wieder in die nette Frau, die allen gefallen will. In der stationären Schmerztherapie überforderte ich mich daher ständig, was zu mehreren Crashs und Krampfanfällen an den Wochenenden führte. Dieser Umstand wurde im Entlassungsbericht jedoch noch nicht einmal erwähnt. Nach den zwei Wochen Aufenthalt war ich emotional und körperlich völlig am Boden.


Aber mir war eines klar:
Meine körperlichen Probleme hatten keine psychische Ursache!


Fortsetzung folgt: Die Suche nach Klarheit – eine Odyssee (2019 bis 2023)





[1] Heute weiß ich, dass die Krampfanfälle u.a. auf die regelmäßigen Crashs, die Mastzellaktivierung sowie auf die Nebenwirkung eines Antidepressivums zurückzuführen waren. Seitdem ich das Antidepressivum ausgeschlichen habe, hatte ich keinen einzigen Krampfanfall mehr.

[2] Als Neurasthenie bezeichnet man eine vermehrte geistige Ermüdbarkeit bzw. Erschöpfung nach geringer körperlicher Anstrengung. Heutzutage wird diese Diagnose kaum mehr gestellt.

Wie bei mir die ME/CFS anfing



Jeder hat seine persönliche und individuelle ME/CFS-Geschichte.

Meine ist sehr lang, da ich nun schon seit 21 Jahren erkrankt bin. Darüber hinaus ist sie geprägt von Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen sowie von einer Ärzte-Odysse, die ich so nicht mehr erleben möchte. Damit habe ich jedoch vieles mit anderen gemeinsam, die noch vor Covid erkrankt sind.

Bevor mich die ME/CFS aus dem Leben riss, arbeitete ich als Marketing- und Kommunikationsleiterin in einem Internet-Startup. Die Arbeit machte mir sehr viel Spaß. Aber der regelmäßige Ärger mit meinem narzisstischen und cholerischen Chef zermürbte mich zusehends. Oft geriet ich in meiner Sandwichposition zwischen Vorstand und Mitarbeitern in unmögliche Stresssituationen. Mein Pflichtgefühl, das mir in Kindheit und Jugend anerzogen wurde, war jedoch sehr groß. Und so machte ich weiterhin Überstunden und sorgte dafür, dass alles glatt lief. Aber ich wusste, dass ich kürzertreten und mehr an mich denken musste. Gesundheitliche Themen wie starke wiederkehrende Migräne, Eisenmangel, Schilddrüsenunterfunktion, Gastritis und Co. kannte ich bereits seit meiner Jugend. Nach einem Auffahrunfall litt ich zunehmend unter starken Nackenverspannungen und -blockaden, die ich regelmäßig vom Chiropraktiker behandeln ließ. Mir war klar, dass ich zu viel arbeitete und dadurch kompensierte. U.a. lagen die Gründe für meine Neigung, zu viel zu arbeiten, in einer schweren und traumatischen Kindheit und Jugend. Diese hatte ich lange Zeit verdrängt. Meine frühere Magersucht aus der Jugend war zudem noch latent vorhanden. Nach außen war sie kein Thema mehr, in meinem Innersten hatte ich die Angst vor einer zu starken Gewichtszunahme jedoch nie wirklich besiegt. Es wurde Zeit, mich mit meiner Vergangenheit auseinanderzusetzen.


retraumatisierung

Daher entschied ich mich für eine Verhaltenstherapie, durch die jedoch sehr viele Traumata aus Kindheit und Jugend an die Oberfläche kamen. Bis zu einem gewissen Grad kam ich gut damit klar. Aber als der Verhaltenstherapeut dann ohne vorherige grundlegende Stabilisierungsmaßnahmen mit der Trauma-Konfrontation anfing, geriet ich in psychische Ausnahmezustände, die sich v.a. in Albträumen, Schlafschwierigkeiten,  starker Schreckhaftigkeit und Angst vor lautem Gebrüll deutlich machten. Heute weiß ich, dass mein damaliger Verhaltenstherapeut nicht professionell genug war, um die Trauma-Konfrontation adäquat vorzubereiten und die Komplexität im Auge zu behalten. Er brachte mich damit in Teufels Küche. Ich tat alles, um die Erinnerungen an die Gewalt von früher abzuwehren. Aber ich schlief und aß immer weniger. Parallel arbeitete ich noch mehr.


grippeschutzimpfung

So befand ich mich bereits in einen gewissen Ausnahmezustand, als ich von meinem Hausarzt Ende 2002 eine Grippeschutzimpfung bekam. Einen Tag nach der Impfung hatte ich Fieber, zwei Tage später musste ich mich krankschreiben lassen. Insgesamt blieb ich drei Wochen zuhause. Diesen Infekt wurde ich gefühlt nie wieder los. Für mich der Anfang der ME/CFS.

Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich meinem Hausarzt berichtete, kräftemäßig nicht mehr auf die Beine zu kommen. Meine Blutwerte waren jedoch bis auf niedrige Eisenspiegel alle in Ordnung. Damit war für mich die Sache klar, dass ich mich einfach wieder auftrainieren muss. Ich arbeitete weiter, ging regelmäßig zum Schwimmen und versuchte mein Leben mit meinem Freund so gut wie möglich zu gestalten. Aber immer öfters kamen Zusammenbrüche, die sich in hartnäckigen Migräne-Anfällen, Stirnhöhlenentzündungen sowie einem stark erniedrigten Blutdruck etc. zeigten. Ich wurde immer blasser und dünner. Teilweise fuhr ich mit dem Taxi zur Arbeit, weil ich es mit dem ÖPNV nicht mehr schaffte. Mitte 2003 war klar, dass ich eine Reha-Maßnahme benötige, wobei jedoch die Ursache für meine Beschwerden zu 100 Prozent in meinen Traumafolgestörungen gesehen wurden, die durch die Verhaltenstherapie und die dortige Retraumatisierung ans Tageslicht kamen. Da sich in der Firma zudem wegen Streitigkeiten im Vorstand die Stimmung stark verschlechterte, war ich selbst überzeugt, dass die Situation am Arbeitsplatz meine Gesundheit darüber hinaus stark beeinträchtigt.

Mein erster Reha-Antrag wurde jedoch abgelehnt, da ich trotz all meiner Beschwerden in den letzten drei Jahren nur drei Wochen krankgeschrieben war. Nach einem Widerspruch wurde ich zu einem Gutachter geschickt, der mir dann bestätigte, dass ich auf Kosten meiner Gesundheit arbeitete.


rehamassnahmen und arbeitsunfähigkeit

So schaffte ich es dann doch in die Reha-Klinik, die ich mir vorab ausgesucht hatte. Ich entschied mich damals für die Klinik Heiligenfeld, u.a. aufgrund der interessanten Therapiemaßnahmen und des intensiven Programms. Denn ich hatte große Angst vor Leerlauf. 

Bevor ich die Reha-Maßnahme antreten konnte, spitzte sich die Situation auf der Arbeit jedoch nochmals zu. Die Trauma-Erinnerungen ließen sich damit kaum mehr deckeln. Ein Zusammenbruch war vorprogrammiert. Einige Wochen vor der Reha musste ich mich krankschreiben lassen, da einfach nichts mehr ging. Meine Ärzte forcierten damals die Aufnahme in die Klinik. Dort angekommen durfte ich erleben, wie die dortigen Behandler meinen Panzer durchbrachen, was zur Folge hatte, dass die schwere komplexe Posttraumatische Belastungsstörung in ihrer Gänze zu Tage kam. Letztlich weinte ich tagelang und rutschte von einem Ausnahmezustand in den anderen. Mein stark geschwächter körperlicher Zustand wurde allein auf diese Traumata und meine Probleme mit dem Essen reduziert und damit als sekundär betrachtet. Stabilisiert wurde ich jedoch nicht. Die Therapien vor Ort, die v.a. in Gruppen stattfanden, waren zu aufwühlend. Einzig und allein die Rhythmusgymnastik Taketina gab mir ein wenig Halt. Sechs Wochen später wurde ich mit der Empfehlung für eine sechsmonatige Arbeitsunfähigkeit und Wiedereingliederung entlassen. Darüber hinaus wurde mir angeboten, eine Intervalltherapie zu machen. Ich selbst war anfangs mit der Empfehlung überfordert und zu Boden zerstört. Denn eigentlich hatte ich gedacht, nach sechs Wochen wieder zu „funktionieren“.

Der Empfang zuhause war sehr gemischt. Während mein Lebensgefährte sich rührend um mich kümmerte, wurde ich in der Firma von meinem Chef sehr eisig begrüßt. Der Streit eskalierte. Durch die Reha war mir zudem klar, dass das Verhalten meines Chefs den Begriff Bossing verdiente. Daher konnte ich das Wiedereingliederungs-Programm nur sechs Wochen durchziehen, bevor ich mich wieder aus Selbstschutz krankschreiben ließ. Aber ich hatte an Klarheit gewonnen und machte dem neuen Arbeitgeber klar, dass ich erst wieder kommen werde, wenn mein Chef nicht mehr in der Firma tätig ist.

Dank meines sehr verständnisvollen Hausarztes und meines Lebensgefährten, der meine Pläne unterstützte, konnte ich mich dann erst einmal nur auf meine Erholung konzentrieren, was bitter nötig war.

Aus den sechs Monaten Arbeitsunfähigkeit und Wiedereingliederung sollten letztlich zwölf Monate werden. In diesen suchte ich mir eine neue Psychotherapeutin, die gleichzeitig als Trauma-Fachberaterin bei Michaela Huber gelernt hatte. Denn mir war nach der Reha klar, dass ich bei meinem bisherigen Therapeuten keine Möglichkeit haben werde, wieder stabiler zu werden. Darüber hinaus ging ich nochmals für neun Wochen in dieselbe Klinik. Beim zweiten Aufenthalt wurde jedoch deutlich, wie stark aufdeckend in dieser Klinik gearbeitet wurde – und wie wieder einmal die Stabilisierung und v. a. auch meine körperliche Erschöpfung unterschätzt wurde. Nicht nur einmal geriet ich in Diskussionen mit einem sehr jungen Psychologen, der nicht verstand, warum ich Therapien ausfallen lassen möchte. Das Verständnis für meine Situation war nur bedingt vorhanden. Aktivierung war täglich angesagt. Vorgesehen war, mich regelmäßig zu provozieren, damit ich „an meine Wut“ komme. U.a. musste ich in der Gruppentherapie mit einem Stock auf einen Stoffballen einschlagen, was schwere Sui*-gedanken zur Folge hatte. Daher ist es kein Wunder, dass damals bereits die ersten Krampfanfälle auftraten, die im Entlassbericht jedoch keines Wortes gewürdigt wurden.


heilung?

Zuhause wurde ich zum Glück von meiner Therapeutin aufgefangen. Mir war klar, dass ich all die Erinnerungen, die in den letzten Jahren und auch in der letzten Reha hochgekommen waren, erst einmal bearbeiten musste, bevor ich mich an Neues wagen konnte.

Gleichzeitig war ich körperlich gestärkt. Ich hatte etwas zugenommen und war bereit, wieder in die Arbeit einzusteigen. Das Unternehmen war in der Zwischenzeit an einen großen Internetanbieter verkauft worden. Mein früherer Chef nicht mehr dort tätig. So konnte ich dort in einer neuen Position wieder neu anknüpfen. Da das Unternehmen jedoch örtlich verlegt wurde und ich meinen Wohnort nicht langfristig verlassen wollte, wurde mir schnell klar, dass ich mich anderweitig umschauen muss. Relativ schnell fand ich eine neue, gleichwertige Stelle und konnte optimistisch in die Zukunft sehen.

Parallel entschieden mein Freund und ich zu heiraten. Es war für mich ein sehr wichtiger Schritt, mich auch mit den Erfahrungen der Schwäche anzuvertrauen. Gleichzeitig war ich in der Tat überzeugt, dass ich wieder genesen war. So feierten wir im April 2005 unsere Hochzeit mit vielen Freunden und Verwandten. Ich fühlte mich wie Phönix, der aus der Asche wiederauferstanden ist, und war optimistisch. Wenn man mich damals gefragt hätte, ob ich geheilt bin, hätte ich eindeutig „Ja“ gesagt. Das war jedoch ein fataler Irrtum, was sich bald herausstellen sollte.

Fortsetzung folgt!

Teil 2: Vor den Trümmern meiner Existenz
Teil 3: Die Suche nach Klarheit – eine Odyssee (2019 bis 2023)

Schlafen





Gesunder Schlaf ist überlebenswichtig. Leider ist ausreichender und tiefer Schlaf in unserer Gesellschaft jedoch nicht mehr selbstverständlich. Viel zu viele Menschen leiden aufgrund von Stress unter Einschlaf- oder Durchschlafstörungen. Menschen mit ME/CFS und MCAS können wiederum aus unterschiedlichen Gründen, nicht ein- oder durchschlafen. Ursachen für Einschlaf- und Durchschlafstörungen liegen u.a. in zu hohen Histaminleveln durch Mastzellaktivierung, zu hohen Adrenalinspiegeln, einer zu schweren Erschöpfung oder Nebennierenproblemen. Nicht zuletzt ist auch das gestörte ANS für die Schlafstörungen verantwortlich. Daher ist guter Rat oft teuer.

Sie können Sie Ihren Schlaf jedoch zum Teil aktiv und positiv beeinflussen. Je nachdem wie schwer Ihre Schlafprobleme sind, gibt es unterschiedliche Strategien, um damit zurecht zu kommen.

Das Schlafzimmer: Ein Ort der Ruhe 

Fangen wir bei den Dingen an, die Sie selbst beeinflussen können. Schauen Sie sich einmal in Ihrem Schlafzimmer kritisch um. In vielen Familien wird dort alles Mögliche aufbewahrt, vom Koffer bis zum Bügelbrett. Oft steht ein Schreibtisch genau neben dem Bett, was es manchmal recht schwer macht, den Computer beizeiten auszuschalten. Versuchen Sie, dies zu ändern. Richten Sie Ihr Schlafzimmer stattdessen als Ort der Ruhe und Sicherheit ein. Alles, was die Ruhe stört, sollte in einem anderen Raum stehen. Das gilt vor allem für TV-Geräte oder PCs. Gönnen Sie sich und Ihrem Körper eine Auszeit von den elektrischen Geräten. Die einzige Ausnahme sollte Ihr Telefon oder Smartphone sein – aber auch nur, wenn Sie es benötigen, um sich dann sicherer zu fühlen. Was könnte Ihnen stattdessen guttun? Ein Kuscheltier im Bett? Ein Nachtlicht? Ein Bild an der Wand, das Ihren Lieblingsplatz zeigt? Geben Sie sich Zeit, ihr Schlafzimmer so einzurichten, wie Sie sich es wünschen. Ziel ist, Ihren Schlaf und den Ihres Partners zu fördern.

Bitte achten Sie daher auch auf ein gutes Bett, vor allem auf eine gute Matratze. Ihr Rücken soll es guthaben. Wenn Sie Nackenprobleme haben, kann ein Nackenkissen ein Segen sein. Manchen Leuten helfen auch Wärmeflaschen oder -decken. Anderen lieben sogenannte Gewichtsdecken, während wiederum Dritte nur leichte Decken ertragen können.

Wenn Sie noch fernsehen können, streichen Sie die Abend-Krimis aus Ihrem TV-Programm und gönnen sich stattdessen schöne, wohltuende Filme. Sollten Sie Musik genießen können, hören Sie Musik, die Sie entspannt. Vor allem aber sollten Sie spätestens eine Stunde vor dem Schlafengehen auf TV, Computer und Smartphone verzichten. Das künstliche blaue Licht, das diese Geräte ausstrahlen, verzögert Ihre innere Uhr und erschwert das Einschlafen.

Bewegung und Entspannung 

Auch Bewegung ist für den Schlaf wichtig. Selbst wenn es nur einfache Yoga- oder Qi Gong-Übungen im Liegen sind, versuchen Sie, täglich einige wenige Übungen zu machen. Das Bewegungspensum sollte jedoch tagsüber ausgeübt werden und einige Stunden vor dem Schlafengehen für den Tag beendet sein, damit der Körper zur Ruhe kommt. Stattdessen helfen Imaginationsübungen sowie sanfte Körper- oder Entspannungsübungen zum „Runterkommen“. Manche nutzen zudem Entspannungsmusik, andere benötigen die absolute Stille. Wenn Sie mit Meditationen zurechtkommen, können Sie diese auch vor dem Zu-Bett-gehen nutzen. Alles ist gut, wenn es Sie beruhigt und entspannt.

Keine anstrengenden Gespräche am Abend

Entspannung finden Sie jedoch nicht, wenn Sie abends noch anstrengende Telefonate oder Gespräche führen. Sie sollten diese daher ab einer gewissen Uhrzeit vermeiden. Gerade bei strittigen Themen regen Sie sich zu sehr auf. Der Stresspegel steigt dann automatisch an. In diesen Fällen wird es danach fast unmöglich sein, den Körper so weit zu beruhigen, um rechtzeitig einschlafen zu können. Auch führen solche Gespräche oft zu Grübeleien, die Sie dann völlig am Schlafen hindern. Wenn Sie vor lauter TO DOs den Schlaf nicht finden, helfen Ihnen vielleicht folgende Ideen, die ich für mich bereits seit langer Zeit umsetze.

Ich neige zum Grübeln. So haben mein Mann und ich besprochen, dass wir abends nach 20 Uhr nicht mehr über TO DOs und Probleme reden. Passiert es doch, gerate ich in einen Handlungszwang und gehe erst zu Bett, wenn das Problem erledigt ist. Oder ich fange an zu grübeln. Was mir ansonsten hilft: Ich schreibe alle Probleme, TO DOs etc. auf, die ich an dem Tag nicht mehr lösen oder erledigen kann. So gehen sie nicht verloren. Wichtig ist für mich auch, abends den Schreibtisch so aufzuräumen und meine Papiere zu ordnen, dass ich am nächsten Morgen keinen Schock bekomme – egal, wie viel zu tun ist. Oft mache ich auch vor dem Schlafengehen einige Imaginationsübungen (vorzugsweise die Gepäck-“ und die „Tresor-Übung“). Das alles gibt mir das Gefühl, mit gutem Gewissen schlafen gehen zu können. Früher, als ich noch arbeitete, hatte ich bei Stress immer einen Schreibblock am Bett liegen, sodass ich alles aufschreiben konnte, was mich nachts aufwachen ließ. Meist konnte ich dann getrost wieder einschlafen.

 

Rituale  

Eine sehr schöne Idee zum Einschlafen sind zudem die Sorgenpüppchen. Sie entstammen einer Legende, die in Guatemala oder Mexiko ihren Ursprung hat. In der Regel sind sie ca. 5 Zentimeter groß und werden dort an Kinder verschenkt. Diese erzählen diesen kleinen Puppen all ihre Sorgen und Ängste. Danach verstecken sie das Püppchen unter ihrem Kopfkissen mit dem Ziel, eine Nacht darüber zu schlafen. Sie glauben fest daran, dass am nächsten Morgen alle Sorgen und düstere Gedanken verschwunden sind. Inzwischen wurde dieser Brauch auch in Europa übernommen. Sie können Ihr Sorgenpüppchen auch selbst basteln (siehe hierzu Anleitungen).
Ich bin mir sicher, dass auch Erwachsene ein Sorgenpüppchen gebrauchen können, sei es in Form einer Puppe oder eines Tagebuchs. Denken Sie darüber nach. Gläubige beten vor dem Schlafengehen stattdessen zu ihrem Gott. Auch das Nachtgebet ist eine Routine, die über viele Jahrhunderte gepflegt wird.

Mahlzeiten und Getränke am Abend

Mahlzeiten und Getränke können den Schlaf stark beeinflussen. Sie werden sicherlich besser schlafen, wenn Sie schwere Mahlzeiten am Abend vermeiden. Den meisten Menschen hilft es, spätabends nichts mehr zu essen. Anderen wie z.B. mir wird aus gesundheitlichen Gründen geraten, abends noch ein kleines „Spätstück“, eine kleine Mahlzeit mit Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett, zu mir zu nehmen. Schauen Sie, was Ihnen guttut. Und trinken Sie abends nicht zu viel. Sie werden sonst nachts des Öfteren aufstehen müssen, um auf die Toilette zu gehen.

Was Sie auf jeden Fall abends oder sogar schon nachmittags vermeiden sollten, sind koffeinhaltige Getränke wie Kaffee oder Cola. Gerade in Hinblick auf das Adrenalin ist grundsätzlich sinnvoll, diesen Konsum zumindest einzuschränken. Auch Schwarz- oder Grüntee kann zu Einschlafschwierigkeiten führen. Überprüfen Sie hier Ihre Gewohnheiten. Inzwischen gibt es wohlschmeckenden koffeinfreien Kaffee. Teesorten wie Baldrian, Melisse, Lavendel oder Johanniskraut beruhigen. Wenn möglich, verzichten Sie bitte auch auf den Alkohol. Es mag widersprüchlich klingen, da er bei vielen Menschen als Einschlafhelfer gilt. Gleichzeitig kann er jedoch für einen unruhigen Schlaf verantwortlich sein. Die Gefahr, nachts öfters aufzuwachen, ist daher groß. Darüber hinaus ist der Gewöhnungseffekt nicht ungefährlich.


Schlafen Sie tagsüber weniger  

Achten Sie zudem tagsüber auf eine gute Schlafroutine. Gerade bei ME/CFS muss man sich tagsüber immer wieder hinlegen. Aber ein Mittagsschlaf sollte – wenn möglich – mittags nach dem Mittagessen stattfinden und nicht um 17 Uhr.

Medikamente und NEMs sind oft notwendig

Trotz all dieser Maßnahmen kann es vorkommen, dass Betroffene nicht ein- oder durchschlafen können. Dies kann u.a. auf Überforderung bzw. einen Crash zurückzuführen sein. Dann ist der Körper meist zu erschöpft bzw. zu sehr in der Hochspannung verortet, um zu schlafen. Wenn dann noch das Histaminfass hoch ist, ist für viele an Schlafen nicht zu denken. Medikamentöse Hilfe ist dann unabdingbar, die jedoch immer mit dem Facharzt abgesprochen werden sollte. In den Empfehlungen der Charité werden einige Medikamente aufgeführt. Auch Nahrungsergänzungsmittel wie Melatonin sind empfehlenswert, die teilweise in einer recht hohen Dosierung eingenommen werden.


Ich persönlich profitiere z.B. sehr von Trazodon, einem Antidepressivum, das offlabel und niedrig dosiert auch als Einschlafhilfe verschrieben wird. Wenn ich jedoch einen Mastzellschub habe, leide ich oft unter einer interstitiellen Zystitis und komme nachts einfach nicht zur Ruhe. Obwohl ich hundemüde bin, kann ich nicht einschlafen. Meistens hilft mir dann eine Histakut-Ampulle, die ich trinke. Für Betroffene ohne Salicylatintoleranz könnte sich auch Fenistil eignen. Wenn dies jedoch nicht hilft, bleibt mir nur der Griff zu stärkeren Medikamenten, wobei ich Bromazepam in niedrigster Dosierung einnehme.

Andere MCAS-Betroffene schwören auf Tavor (Lorazepam) oder Oxazepam. Ich achte dabei darauf, dass ich diese in nur bei Bedarf einnehme. Wissenschaftliche Studien ergaben jedoch, dass das Suchtpotential bei MCAS geringer ist.[i]  Darüber hinaus gibt es auch einige Nahrungsergänzungsmittel, die ausprobiert werden können - angefangen mit dem guten alten Baldriantee bis hin zu Melatonin.

 
Machen Sie etwas Schönes

Wenn Sie einmal nicht einschlafen können oder zwischendurch wach werden, bleiben Sie – wenn möglich – bitte nicht in Ihrem Bett liegen. Ihr Bett und Ihr Schlafzimmer sollten Orte der Ruhe und Entspannung bleiben. Dies wird jedoch schwierig, wenn Sie sich nachts verzweifelt im Bett wälzen. Stehen Sie daher – wenn möglich - auf. Gehen Sie in einen anderen Raum. Machen Sie dort dann etwas Schönes, Beruhigendes. Ich selbst höre oft klassische Musik, schreibe oder male. Mandalas eignen sich z.B. sehr zur Beruhigung. Darüber hinaus helfen Imaginationsübungen wie die Tresorübung oder „Gepäck ablegen“, um Grübeleien zu beenden. Zum Wohlfühlen hilft der „Sichere Ort“ oder „Der innere Garten“.[2] Gehen Sie erst wieder zurück ins Schlafzimmer und ins Bett, wenn Sie müde genug sind. 

 

Wirf den Stein von heute weg.
Vergiss und schlafe.
Wenn er Licht ist,
wirst du ihn morgen wiederfinden,
zur Dämmerzeit, in Sonne verwandelt.

Juan Ramon Jiménez
[ii]

 


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